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„Deutschlands berühmteste Hausnummer
... ach, die berühmteste der Welt - das ist die 4711 der Kölner
Glockengasse, Stammhaus des gleichnamigen Duftwassers. Dort wurde das "Echt Kölnisch Wasser" 1792 kreiert und hat sich über zwei Jahrhunderte zu einer der weltweit bekanntesten Marken entwickelt. In seinem ikonischen Flakon mit türkis-goldenem Etikett und rotem Siegel ist das Cologne unverwechselbar und auch deshalb bei Touristen ein beliebtes Mitbringsel aus good old Germany.
Und der Duft? Der wirkt auf viele altbacken, insbesondere in der jetzt mittleren Generation hat er den Ruf eines Oma-Parfüms. Das liegt auch an der Rezeptur, denn ursprünglich diente die Komposition aus verschiedenen Zitrusölen mit etwas Lavendel und Rosmarin weniger der Beduftung als der Vitalisierung und der Erweckung der Damen aus der Ohnmacht aufgrund von Miedereinschnürung oder sozialer Konditionierung.
Richtig populär wurden die Düfte aus der Glockengasse in der Wirtschaftswunderzeit, da bekam 4711 die Schwestern Tosca und Nonchalance, und alle drei gehörten quasi zur Grundausstattung deutscher Schminkkommoden. Sehr zur Freude der Eltern Muelhens, denn in deren Besitz befand sich das Dufthaus von der Gründung bis 1994, als es nach 200 Jahren an einen Konzern verkauft wurde, der wiederum die Marke 2006 an die rheinische Traditionsfirma Mäurer & Wirtz veräußerte.
Eigentlich sind die Sprößlinge der Kölner Duftfamilie also die Kuckuckskinder von Mäurer & Wirtz. Ihre Berühmtheit legt es nahe, die Firmengeschichte damit von hinten aufzurollen. Seit der Übernahme ist es M & W durch geschickte Produktentwicklung gelungen, die drei alten Düfte von ihrem gestrigen Image zu befreien. Das Kölnisch Wasser erhielt die flankierende Serie "Acqua Colonia" mit je zwei Haupt-Ingredienzien - eine Zitrusfrucht plus Blume oder Gewürz - im typischen Flakon mit vereinfachtem Etikett in einer zum Thema passenden Farbe. Das Konzept der Aromatherapie-Wellness-Düfte knüpft ebenfalls an die alte Tradition des Riechwassers an. Mittlerweile umfaßt die Serie ein gutes Dutzend Düfte samt Duschgel, Körperlotion und Aromakerzen. Mir gefällt Pink Pepper & Grapefruit, das ich "zwei Flaschen lang" als sommerlichen Frischespender trug.
Die behutsame Modernisierung des Muelhens-Parfüm-Sortiments unter Wahrung der Traditionsrezepturen der Kern-Produkte ist ein Glücksfall für die deutsche Duft-Industrie, denn fast alle erfolgreichen und international konkurrenzfähigen Parfüms der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind längst untergegangen. Der Erfolg ist umso höher anzurechnen als M & W ab seiner Gründung 1845 hundert Jahre lang ein Seifenwerk war und erst 1950 mit dem Herrenduft Tabac in die Parfüm-Branche einstieg. Genau das war ideal für die Übernahme der Marke 4711, denn nun waren die vier größten deutschen Erfolgsdüfte der Nachkriegszeit unter einem Dach vereint. Tabac Original ist ein Klassiker, der ledrig-holzige Noten harmonisch mit zitrischer Frische und dezenter Blumigkeit vereint.
Seife gehört immer noch zum Geschäft des in Stolberg bei Aachen ansässigen Familien-Unternehmens, und zwar Feinseifen für die Parfüm-Marken einschließlich Rasierseife und im Unternehmenszweig Dalli-Werke Waschmittel sowie Industrie- und Kernseife. Was 1845 als kleine Seifensiederei von Ernst Mäurer und seinem Schwiegersohn Andreas August Wirtz begann, wurde schon in der zweiten Generation zu einem Industriebetrieb, der in der Stadt zweimal umzog, um die Fabrik zu vergrößern. Auch heute noch stellt M & W seine Parfüms in Stolberg her, neben den bekannten eigenen Düften Lizenzprodukte für Modelabel wie s.Oliver, Betty Barclay und Baldessarini, außerdem Duftwässer für Supermarktketten.
Alle Düfte und Kosmetika aus dem Hause Mäurer & Wirtz sind erschwinglich, aber keinesfalls "billig". Die Kollektion Acqua Colonia ist am teuersten, und liegt mit etwa 40 Euro für 100 ml Eau de Cologne im mittleren Preissegment. Das gute Preis-Leistungs-Verhältnis hat zum Erfolg beigetragen. Vor allem hat das Unternehmen die verstaubten Traditions-Düfte mit dem Spirit der Moderne erfüllt und damit wieder attraktiv gemacht.
Wahrscheinlich werden 4711, Tabac und Co. zukünftig sogar noch beliebter werden, weil die nächste Generation damit nicht mehr Oma und Opa verbindet. Eine richtige Bilderbuch-Geschichte also: Deutschland riecht nicht miefig, sondern pfiffig und peppig!
...”weniger
