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„Vom Dorfanger zum Interkontinentalflughafen
Alle Städte haben ein Stadtmuseum, Berlin natürlich auch
- das Märkische Museum, allerdings gerade wegen Umbau längerfristig geschlossen. Nun, Berlin wäre nicht Berlin, wenn es in puncto Museum so wäre als Frankfurt und Dresden, Kaufbeuren oder Angermünde. Denn Berlin hat zwölf Bezirke und die haben ihre eigenen Museen, aber mehr als zwölf, weil es mal mehr Bezirke waren. Ja, ganz schön kompliziert, die Hauptstadt, aber prima für Sportsfreunde, denn außer Behörden-Pingpong kann man hier Museums-Hopping machen. Alle diese kleinen lokalgeschichtlichen Museen sind sehenswert, und kostenlos sind sie obendrein.
Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat also zwei Bezirksmuseen. Das Tempelhof Museum gefällt mir besonders gut. Bei meinem ersten Besuch war ich überrascht. Der Bus brachte mich zu einer großen Kreuzung, Blechlawine rechts und links, vorne und hinten - aber die Häuser, größer hätte der Kontrast nicht sein können: so schön und selbst wie ein Museum. An allen Seiten der Kreuzung stehen Bauten aus dem 19. Jahrhundert, jedoch nicht im zuweilen pompösen historistischen Stil der Gründerzeit, sondern zierliche schlichtere aus der Zeit davor.
An einer Ecke erhebt sich die stattliche Dorfkirche mit Kirchhof, etwas weiter steht ein schmuckes denkmalgeschütztes Haus, das sogar Ferienwohnungen vermietet, und noch ein Stückchen weiter das Tempelhof-Museum in der alten Dorfschule. Dahinter liegt die Ende des 19. Jahrhunderts errichtete neue Schule mit weithin sichtbarem Uhrenturm aus rotem Backstein.
Durch einen hübschen Vorgarten an der breiten Allee betritt man das gedrungene Haus am ehemaligen Dorfanger. Die Kommunale Galerie im Erdgeschoß stellt lokale Künstler aus, die historische Abteilung befindet sich im Obergeschoß. Im zentralen Empfangsraum gibt es nicht nur Informationsmaterial zur Mitnahme oder Ausleihe und den Verkauf der Museumspublikationen, die freundliche Mitarbeiterin dort kennt ihr Museum in- und auswendig.
Vorab: Die Konzeption eines Bezirksmuseums in Berlin ist eine echte Herausforderung: komplexe Geschichte, beschränkte Räumlichkeiten und noch beschränktere Finanzierung. Seit einigen Jahren spart Berlin vor allem bei der Kultur, das bekommen auch die kleinen Museen zu spüren, denn sie taugen nicht als Touristenmagnet oder für Spektakel-Events. Das ist schade, denn gerade an diesen Orten wird Geschichte konkret erlebbar.
Tempelhof hat jede Menge zu bieten, eine Reise vom Dorf in die Moderne. Da wären der Flughafen mit dem damals weltweit größten Terminalgebäude, die Schokoladenfabrik Sarotti, der Ullstein Verlag, das Ufa-Filmkopierwerk, aber auch weniger bekannte Firmen wie ein schon früh global agierender Schreibmaschinentypen-Hersteller. Das alles und noch mehr in einem Museum, wie soll das gehen? Sogar mit geschicktem Vorgehen können da nur Ausschnitte gezeigt werden.
Am besten gefällt mir der erste Raum über die dörflichen Anfänge Tempelhofs. Allerlei bäuerliche Gerätschaften in einer offenen Scheune veranschaulichen die Landwirtschaft vergangener Jahrhunderte, und eine große Holztruhe ist nicht nur Beispiel für die Möblierung der Bauernstuben, sie beherbergt eine Hängeregistratur mit illustrierenden Dokumenten. Auf zwei langen Tischen mit Hockern ist der Dorfalltag inszeniert, eine Dorfversammlung im Wirtshaus und Unterricht in der Schule. An jedem Sitzplatz erzählen Texte auf den Schiefertafeln bzw. Tellern Episoden aus dem Leben verschiedener Bewohner - ein schönes didaktisches Mittel.
Die Präsentationen zum Flughafen und den anderen Firmen und Gewerben können die Themen in der Dauerausstellung nur anreißen, dafür wären jeweils eigene Museen erforderlich. Oder Sonderausstellungen wie zur Zeit über Sarotti. Daher freue ich mich auf viele zukünftige Besuche in diesem schnuckligen Museum mit der aufmerksamen und kenntnisreichen Betreuung.
...”weniger