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„Viet-Küche, unverkitscht
Überall in Deutschland ist die Küche von Hanoi, Hue und Saigon mittlerweile
im Mainstream angekommen, aber in Berlin ist sie besonders stark vertreten, vor allem wegen der vielen aus Vietnam stammenden Bewohner. In meiner Nachbarschaft in Nord-Neukölln gibt es unzählige dieser Lokale, meist schon von weitem erkennbar an Bambusmöbeln, Laternen, Fischreusen und anderen folkloristischen Accessoires. Oft sind die Lokale recht klein, die Speisekarten ähneln sich, viele locken mit billigen Mittagsmenüs aus der Baukastenküche. Nicht wirklich interessant.
Kurz nach der Eröffnung des Viet Bowl am "Böhmi" lief ich abends vorbei und dachte gleich: wie ungewöhnlich, das muß ich mal ausprobieren. Zwar ist das Design des Lokals auf den ersten Blick eindeutig vietnamesisch, jedoch modern und urban. Die Wirkung des großen Raums wird durch das Mobiliar betont: in der Raummitte lange Tafeln mit Hockern, Tische und Tischchen mit Stühlen nur am Rand. Diese Längsscheiben von Baumriesen mit unbearbeiteten Rändern und lebhafter Maserung sind ein Blickfang, sie bringen die Atmosphäre des Urwalds von Indochina nach Berlin. Die wie traditionelle Lackwaren rot und schwarz bezogenen Hocker kontrastieren mit dem goldbraunen Holz der restlichen Einrichtung, die Asien-Deko ist schlicht gehalten - stylisch, aber nicht überdesignt.
Bei gutem Wetter sitzen aber alle am liebsten draußen, direkt am von Bäumen gesäumten Böhmischen Platz, dem Kiez-Wohnzimmer. Dort tummeln sich Tischtennisspieler, Dampfplauderer, Feierabendbierchengenießer, vielleicht auch der Nachbarschaftschor mit Gitarre, doch alle weit entfernt genug, um das eigene Tischgespräch nicht zu stören. Hier sitzt man wirklich gemütlich.
Und das Essen? Das ist schließlich die Hauptsache. Die Karte bietet keine extravaganten Spezialitäten oder kreativen Fusion Dishes, sondern die vietnamesischen Klassiker und ist daher nicht überlang, die Wahl fällt leicht. Solche "no nonsense" Konzepte gefallen mir.
Unser Getränk war ein vielversprechender Auftakt. Der frische Ingwer-Tee kam mit einer halben süßen Kumquat in einem rustikal getöpferten Becher mit Untertasse und separatem Zucker, grob gestoßener Kassiazimt duftete verführerisch, der Geschmack war ausgewogen.
Die Vorspeise, drei große frittierte vegetarische Frühlingsrollen, wurde dekorativ auf einer langen Platte serviert. Die Füllung war schmackhaft, sogar mit Wasserkastanien, und die Tunke köstlich mit kräftiger Fischsauce, Limette und leichter Chilischärfe. Meiner Begleitung schmeckte es so gut, daß sie dasselbe gleich nochmal für uns orderte - und die Portion war groß, ausreichend für zwei.
Als Hauptspeise bestellten wir Reisnudelsuppe mit Rind und rotes Curry mit Ente auf Reisbandnudeln. Beides kam in riesigen Schüsseln, das war nicht XL, das war XXL! Die Suppe wurde für gut befunden, sowohl Brühe als auch Fleisch. Mit meiner Wahl war ich ebenfalls zufrieden: die Nudeln waren auf den Punkt gekocht, das Curry mild-aromatisch, das Gemüse aus Sprossen und Weißkohl knackig, die Entenscheiben außen knusprig und innen zart, obendrauf etwas feingeraspelter Rettich und gehackte Asienkräuter. Wunderbar!
Nur zu viel für mich, gerade mal die Hälfte schaffte ich. Aber kein Problem, der Rest kam im Doggiebag mit nach Hause. Auch dafür nur Lob: verpackt in eine imprägnierte Kraftpapierschachtel, kein Alu, Styropor oder Plastik - prima. Das Lokal ist also eine Empfehlung für Leute mit großem Hunger. Und die Preise? Wirklich günstig ist es obendrein, alle Hauptgerichte kosten um 15 Euro. Der Service war ausgesprochen freundlich.
Zu Wartezeiten kann ich nichts sagen, denn wir waren wochentags da. Am Wochenende ist es dort sicherlich brechend voll. Um uns herum saßen viele Stammgäste, die Verabschiedung war allerseits herzlich. Kein Wunder, daß das Viet Bowl am Böhmi so viel treue Kundschaft hat: beste Lage, stimmungsvolles Ambiente, gute Küche, liebenswürdiger Service - da bleibt kein Wunsch offen. Auch ich kehre mit dem nächsten Besuch hier gern wieder ein.
Was noch: Vegan, vegetarisch, Kinderportion - yes. Takeaway, Lieferung, Catering - yes. Parking - no, claro!
Und: fünf weitere Standorte in Berlin, einer in Hamburg.
...”weniger
